Ein Schwerpunktthema des Forums in der laufenden Lehrhaussaison sind die Nazi-Morde an Menschen mit Behinderung. Im mit über vierzig ZuhörerInnen vollbesetzten Bühnenraum des Lingener Christophorus-Werkes sprach Priv. Doz. Dr. med. Walter Höltermann über Zwangssterilisierungen und Morden an Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen. Solche Menschen galten den Nazis als unnötige Belastung. 

Fotos: fwp

Die Massenmorde waren Folge eines auf den Überfall auf Polen am 1. September 1939 rückdatierten Führerbefehls.    Es ist Höltermann zufolge der einzige nachweisbare Mordbefehl Hitlers: Reichsleiter Bouhler und Dr. med. Brandt sind unter Verantwortung beauftragt, die Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern, dass nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankenzustandes der Gnadentod gewährt werden kann.“

Schätzungen sprechen von 300.000 ermordeten Menschen, die im Sinne der „Rassen­hygiene“ als „lebensunwert“ galten; weitere 400.000 wurden unter Zwang sterilisiert. Am bekanntesten sei die Mord-Aktion „T4“, die nach der Adresse der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 benannt wurde.

Höltermann stellte Beispiele für Opfer der Ausgrenzungspolitik der Nazis vor. Deren ideologischer Hintergrund sei „die Unterordnung der Sittlichkeit, der Politik und der Wissenschaft unter eine von pseudoreligiösem Pathos getragene Auffassung von Leben und Rasse“, so der Referent. Menschliche Rassen existieren nicht. Walter Höltermann: „Aus genetischer Sicht sind wir alle Afrikaner.“ Das hindere Rassisten nicht daran, Menschen als ungleich zu werten.

Für ihre Ermordung vorgesehene Menschen wurden unter versuchter Geheimhaltung in Krankenanstalten verbracht, in denen sie nach Entscheidungen von Ärzten durch den Einsatz von Gas qualvoll starben. Höltermann: „Das war der Probelauf für den Völkermord an Sinti und Roma und jüdischen Menschen.“

Höltermann stellte dar, dass den Morden der Nazis eine lange medizinische Tradition der „Eugenik“ vorausging, die zur „Verbesserung der Erbmasse“ Menschen von der Fortpflanzung ausschließen wollte.

Eine Folie aus Walter Höltermanns Vortrag: Schon kurz nach dem ersten Weltkrieg wurde die Vernichtung von „Ballastexistenzen“ gefordert.

 

Der Referent verwies darauf, dass einige Verantwortliche für die „Euthanasie“- Morde noch nach 1945 als Medizinprofessoren weiterwirken konnten. In der anschließenden engagierten Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass die AfD eine Inklusion von Kindern mit Behinderung ablehne.

Simon Göhler, Forum- Vorsitzender und Angela Prenger, Stv. Vorsitzende dankten Walter Höltermann (ebenfalls Stv, Vorsitzender) mit einem Shalomstein von Josef Möddel.