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Hella Wertheim besuchte Friedensschule in Lingen – Lob für Ausstellung

Lingen (ha)
Mucksmäuschenstill verfolgten die Schülerinnen und Schüler der 9. Hauptschul- und der 9. Realschulklasse im Religionsraum der Friedensschule in Lingen die Äußerungen der 73-jährigen Zeitzeugin des nationalsozialistischen Holocaust, Hella Wertheim aus Gildehaus. Sie erzählte aus ihrem bewegten Leben und las zwischendurch einige Passagen aus ihrem Buch vor: ,,Immer alles geduldig getragen – Als Mädchen in Theresienstadt, Auschwitz und Lenzing, seit 1945 in der Grafschaft Bentheim“. 

Bei Ihrem Besuch in der Friedensschule wurden Hella Wertheim, der Vorsitzende des Forums Juden-Christen, Reinhold Hoffmann, Forummitglied Johannes Wiemker und Stadtdezernentin Dr. Claudia Haarmann von Schulleiter Ewald Teipen begrüßt. Er bedankte sich dafür, dass eine Zeitzeugin aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus – der 27. Januar ist der Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz – in die Schule gekommen sei, um an die Geschehnisse der Vergangenheit aus eigenem Erleben zu erinnern. wertheim-2

Lehrer und Seminarleiter Paul Haverkamp, dem das Heranführen von Schülern an Geschichtsereignisse ein Herzensanliegen ist, führte die Gäste zunächst durch eine von ihm konzipierte Ausstellung zum Thema ,,Auschwitz-Konzentrationslager“. Darin versucht er, dem Anlass, den Ursachen und den Folgen der Ereignisse des 9. /10. November 1938 nachzugehen. Es solle deutlich gemacht werden, so Haverkamp, dass für die Juden dieses Datum einen Vorort zur Hölle markierte, das dann noch übertroffen worden sei von den Ereignissen, die man mit dem Begriff ,,Auschwitz“ zusammenfasse.

Im prall gefüllten Klassenraum bedankte sich Reinhold Hoffmann bei Paul Haverkamp für die Zusammenstellung der beeindruckenden Ausstellung, die dem Namen der Schule würdig sei. ,,Ihr Anspruch ist Aufklärung und Mahnung, aber auch die Aufforderung zur Toleranz gegenüber dem Nächsten, gleich welcher Hautfarbe oder Religion“, sagte Hoffmann und stellte den erwartungsvollen Jungen und Mädchen die Zeitzeugin Hella Wertheim vor, die er alsdann bat, aus ihrem Leben zu erzählen.

Frau Wertheim erinnerte zunächst an den 30. Januar 1933, „den Tag der Machtergreifung Hitlers, ein Datum, mit dem eines der fürchterlichsten Kapitel der deutsche Geschichte begann und in einem Meer von Blut und Tränen endete“. Der Befreiungstag des Lagers Auschwitz sei inzwischen stellvertretend auch für das Leiden in allen anderen Konzentrationslagern zum Gedenktag gegen das Vergessen erklärt worden. wertheim-1

Was sich im Herzen Europas während der zwölf Jahre Nazi-Herrschaft zugetragen habe, sei unter normalen Verhältnissen unvorstellbar, sagte Hella Wertheim. Sie berichtete, das sie in Insterburg /Ostpreußen geboren wurde. Als Kind und junges Mädchen habe sie mit ihren Eltern die schleichende Entrechtung von Juden sowie die immer schlimmer werdenden Schikanen und Übergriffe der Nazizeit miterlebt, bis sie mit ihren Eltern im August 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert worden sei. Von dort aus kam sie über Auschwitz in das Frauenkonzentrationslager Lenzing /Österreich, wo sie am 5.Mai 1945 von den Amerikanern befreit wurde. Sie wog gerade mal 64 Pfund.

Betroffen reagierten die Schüler, als Hella Wertheim schilderte, wie knapp sie dem Tod entgangen sei, ,,dem ich auch sekundenlang ins Auge schaute, als Dr. Mengele an der Rampe in Auschwitz selektierte und mich auf die rechte Seite schickte“. Ihre Mutter musste nach links, zur Gaskammer…

Hella Wertheim erzählte bzw. las aus ihrem Buch vor, unter welchen Schwierigkeiten sie nach dem Krieg nach Holland und dann nach Gildehaus kam. Dort lernte sie ihren 1987 verstorbenen Mann kennen, der im Dezember 1941 mit seiner Mutter, Schwester und einer Tante in das Ghetto Riga deportiert wurde und auch eine lange Leidenszeit hinter sich bringen musste. In seiner Verwandtschaft war er der einzige Überlebende.

Mit großem Ernst stellten die Schülerinnen und Schüler, die die Ausführungen sehr aufmerksam verfolgten, viele Fragen an die Zeitzeugin, die sie bereitwillig beantwortete. Für die Jungen und Mädchen war es eine Geschichtsstunde der besonderen Art.

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