Beitrag lesen...

Am Donnerstagabend jüdischen Gottesdienst gefeiert

Freren (pe)
Als der Osnabrücker Rabbiner Marc Stern am Donnerstagabend mit der Thora das jüdische Bethaus betrat, läuteten die Glocken der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde. Ein starkes Signal: Die beiden Kirchen nahmen das exakt zwischen ihnen liegende Gebäude nicht nur räumlich in ihre Mitte.

Der erste jüdische Gottesdienst im Haus seit der Pogromnacht vor 65 Jahren war ein bewegender Moment für alle Beteiligten: Vertreter der jüdischen Gemeinde Osnabrück, des Forums Juden-Christen, der Kirchengemeinden und Gästen aus Politik und Verwaltung.

Vorausgegangen war ein Gebet des Rabbiners auf dem jüdischen Friedhof in Freren, wo die Teilnehmer Steine der Erinnerung auf die Grabsteine niederlegten. Meyberg, Heilbronn, Schwarz, Manne: Die Namen auf den Steinen stehen für die lange Geschichte der Synagogengemeinde Lengerich-Freren und zugleich für ihr qualvolles Ende im Holocaust.

Bevor Rabbiner Stern mit der Thora in der Hand das Bethaus betrat, stellten alle Kerzen vor der Mauer unter den Fenstern des ersten Stocks auf. Aus diesen hatten die Nationalsozialisten am 10. November 1938 sakrale Gegenstände und das Inventar hinausgeworfen hatten, um es auf der Straße zu verbrennen.lt-26-04-04-01

Dieser Abend des Gottesdienstes im Bethaus in Freren stelle deshalb den Beginn eines Neuanfangs dar, sagte Reinhold Hoffmann, Vorsitzender des Forums Juden-Christen. „Wie wollen wieder anknüpfen an die lange jüdische Tradition der Synagogengemeinde Freren-Lengerich“, betonte Hoffmann.

„Eine gute Tat, für die es die Belohnung später im Himmel gibt“, nannte Stern die erfolgreichen Bemühungen des Forums Juden-Christen um das Haus in der Grulandstraße. „Was Sie getan haben, ist eine Heiligung in Gottes Namen, während die Nazis diesen entweiht haben“, betonte der Rabbiner. Indem das Jüdische Bethaus zu einem Ort der Begegnung, des Lernens und der Geschichte werde, „bleibt die Erinnerung an unsere Toten weiterhin wach“. Wenn die sechs Millionen ermordeten Juden in Vergessenheit gerieten, laufe man Gefahr, „dass die Erinnerung an sie auch ermordet wird“.

Michael Grünberg, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Osnabrück, erinnerte an die Bewohner des Hauses, die dort einst gelebt hätten und es nicht mehr könnten. Dennoch sei die Freude darüber, dass das Haus erhalten bleibe, groß. „Nur wenn man voneinander lernt, kann man friedlich miteinander leben“, mahnte Grünberg.

Mit der Wiederherstellung des jüdischen Bethauses habe die Aufarbeitung der Geschichte auch Formen aus Holz und Stein angenommen, sagte Samtgemeindebürgermeister Godehard Ritz. „Dass hier wieder jüdische Gebete gesprochen werden, erfüllt uns mit Freude“, betonte Ritz. Der Standort des Bethauses zwischen den beiden Kirchen sei ein Ort der Toleranz und der Mahnung zugleich.

Sieben Kerzen wurden anschließend angezündet. „Sechs stehen für die sechs Millionen ermordeten Juden und die eine Kerze für die Einheit, Hoffnung und Zukunft“, erklärte Rabbiner Stern.

[Einklappen]