Lingen. Nach Ansicht von Dr. Walter Klöppel aus Lingen darf das Erreichte in der Ökumene nicht aufgegeben werden. Damit reagierte der Vorsitzende des Forums Juden-Christen Altkreis Lingen e.V. auf kürzliche Äußerungen von Papst Benedikt XVI., dass evangelische Christen „keiner Kirche im eigentlichen Sinn“ angehören.
Die von Papst Benedikt XVI. bekräftigte Auffassung, dass evangelische Christen „keiner Kirche im eigentlichen Sinn“ angehören, hat bei vielen Protestanten starke Irritationen ausgelöst. Bischof Wolfgang Huber, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, sieht für die Ökumene einen Rückschritt. Können Sie die Position des Papstes nachvollziehen?
Dass die römische Glaubenskongregation die Spezifika der katholischen Lehre von der Kirche deutlich macht und damit Unterschiede zu anderen christlichen Kirchen benennt, kann ich nachvollziehen. Auch diese Kirchen legen Wert auf eigene Positionen, wie das die Bischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers erst jüngst vor ihrer Synode deutlich gemacht hat. Das Verständnis von Priesteramt und Eucharistie unterscheidet in der Tat meine katholische Kirche von den Kirchen der Reformation, die Ämter und Abendmahl anders begründet sehen. Diese Unterschiede zu benennen ist geradezu Voraussetzung für den ökumenischen Dialog.
Nicht nachvollziehen kann ich die Schlussfolgerung der Glaubenskongregation, die den Kirchen der Reformation mit Hinweis auf den unstrittigen Unterschied den Titel Kirche abspricht. Darin sehe ich eine unnötige Kränkung und eine Belastung für die Ökumene.
Trotz der bestehenden Unterschiede wird Ökumene überall in Deutschland täglich praktiziert. Ein noch stärkeres Zusammengehen und nicht die Betonung des Trennenden sei das Gebot der Stunde, meinen viele Gläubige. Wie weit kann Ökumene heutzutage gehen?
Die Älteren von uns haben noch Sprachlosigkeit und Feindseligkeit zwischen den christlichen Konfessionen erlebt. Wir haben die Gesprächsbereitschaft unserer Kirchenleitungen und die Zusammenarbeit der Gemeinden als Befreiung erfahren. Das Erreichte dürfen wir nicht aufgeben. Ökumene heißt für mich, die andere Konfession geschwisterlich wahrzunehmen, die Unterschiede zu benennen, zu diskutieren und zu respektieren. Auf dieser Grundlage lassen sich Gemeinsamkeiten entdecken und befördern. Die verbleibende Verschiedenheit ist manchmal schmerzend, muss aber ertragen werden. Mitunter lässt sich Vielfalt auch als Reichtum erfahren. Die Lange Nacht der Kirchen in Lingen war ein solches Ereignis.
Wie er klären Sie es sich, dass der Papst den Ostkirchen die Bezeichnung „Kirchen“ zuschreibt?
Dass die Glaubenskongregation die orthodoxe Christenheit als Kirche anerkennt, werde ich von meinem Ökumeneverständnis her nicht beklagen. Dass diese Kirchen in der Bewertung besser wegkommen, mag auch kirchenpolitische Gründe haben. Für unsere Zukunft geht es um weit mehr, es geht um das Miteinander der Weltreligionen. Dabei können unsere Erfahrungen im ökumenischen Dialog hilfreich sein: Unterschiede erkennen, benennen, ihnen mit Respekt begegnen und dann die Gemeinsamkeit suchen.
Vor dieser Aufgabe erscheint mir der Streit um den Titel „Kirche“, der mit dem Dokument aus Rom neu belebt wird, eher unzeitgemäß.