Nur eine Gesellschaft, die sich erinnert, ist auch zu einem aktiven Gedenken fähig!“

Wenige Tage, nachdem ein antisemitischer Mob in Amsterdam Jagd auf Juden machte, wurde im südlichen Emsland an die staatlich verordnete Judenverfolgung am 9. und 10. November 1938 erinnert. Menschen wurden beraubt und in über tausend Fällen ermordet.

Mechthild Pölking-Oeßelmann vor dem Gedenkstein in Lengerich, rechts Samgemeindebürgermeister Matthias Lühn . Foto Samtgemeinde Lengerich

In Freren und Lengerich wurde bereits am Vortag der Gräueltaten gedacht. In Lengerich sprach neben dem Samgemeindebürgermeister Matthias Lühn Mechthild Pölking-Oeßelmann. Sie erinnerte daran, dass der 9.November 1938  ein schmerzhaftes Mahnmal, aber erforderliches  in unserer Geschichte sei.  Sie zeige uns, wohin Hass, Ausgrenzung und gezielte Gewalt gegen eine Minderheit führen könnten. „Es soll uns daran erinnern, heute unsere Stimme gegen Antisemitismus und jede Form von Hass und Diskriminierung zu erheben und für die Menschenwürde und Rechte aller Menschen einzutreten und kein Zuschauer zu sein oder zu werden.“ Die Anwesenden rief sie auf: „Lernen sie, üben sie, haben sie Mut kein Zuschauer zu sein.“

Gedenken in Freren- 2024 – zum 40. Mal von Lothar Kuhrts gestaltet.Foto: Samtgemeinde Freren

Seit 40 Jahren organisierte Lothar Kuhrts in Freren das Gedenken zu den Novemberpogromen. Nie wieder…wurde in vielen Momenten und an vielen Gedenktagen wiederholt. Das „NIE WIEDER“ ist aktueller denn je. Gerade die antisemitisch motivierten Vorfälle in Deutschland zeigen, dass die Erinnerung wachgehalten werden muss. Niemand darf wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft diskriminiert werden. Diese und unsere anderen Grundrechte sind ein hohes Gut in unserem Land und längst nicht selbstverständlich. Wir alle müssen aktiv daran mitwirken, uns gegen Judenfeindlichkeit und insgesamt gegen menschenverachtende Hetze zu stellen. Pfarrer Dietmar Schöneich betonte in seiner Ansprache, dass wir in Frieden leben könnten, wenn sich niemand über den Anderen stellen würde.

Oberbürgermeister Krone, im Hintergrund die Schülerinnen der Friedensschule, ganz links Lehrerin Jana Neumann. (Foto fwp)

In Lingen fand die Gedenkveranstaltung am 86. Jahrestag der Verbrechen am Gedenkort Jüdische Schule statt. „Diese Nacht der Gewalt und Zerstörung markierte einen grausamen Wendepunkt im Aufstieg des Nationalsozialismus und führte zu unermesslichem Leid für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Ereignisse jener Nacht waren geprägt von Brutalität, Hass und dem brennenden Wunsch, jüdisches Leben in Deutschland auszulöschen“, so Oberbürgermeister Dieter Krone 

Krone wies daraufhin, dass Judenhass die ganze Gesellschaft treffe. „In diesen Zeiten dürfen wir nicht nachlassen, uns aktiv gegen jede Form von Hass und Gewalt zu stellen.“Simon Göhler, Vorsitzender des Forum Juden-Christen Altkreis Lingen e.V., begrüßte die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Lebensalter. Er erinnerte daran, dass die Brandstiftungen, die Zerstörung jüdischen Eigentums und die Verschleppungen wohlhabender jüdischer Männer aus Lingen mit dem Zweck ihrer Beraubung in das KZ Buchenwald unter Duldung der breiten Bevölkerung stattfanden.

Göhler schlug vor, „dass der Deutsche Bundestag in Abstimmung mit den Bundesländern den 9. November als einen „stillen Gedenktag“ ausruft und ihn damit langfristig in der Gesellschaft verankert.“ Nur eine Gesellschaft, die sich erinnere, sei auch zu einem aktiven Gedenken fähig, begründete Göhler seinen Vorschlag.

SchülerInnen der Lingener Friedensschule mit Organisatorin Angela Prenger (Forum) und Lehrerin Jan Neumann (Bildmitte)

Schülerinnen von 8. Klassen der Friedensschule Lingen, setzten sich trotz des Samstagsabends, sensibilisiert durch Besuche in der Jüdischen Schule, mit dem staatlichen Antisemitismus der Nazis auseinander. Wie der Naziterror sich auf einzelne Menschen auswirkte, zeigten die Schülerinnen am Beispiel des Ehepaares Emma und Jakob Wolff, des letzten Vorstehers der Lingener Synagogengemeinde auf. Jakob Wolff konnte nach seinem Tod 1941 nur heimlich auf dem Jüdischen Friedhof begraben werden, Emma Wolff wurde im KZ ermordet.

Einfühlsam begleiteten die Cellistinnen Viola Venschott und Hilke Hebbelmann das Gedenken musikalisch.