Ein Schwerpunkt der aktuellen Lehrhausgespräche des Forum Juden-Christen ist heutiges jüdisches Leben in Deutschland sowie der grassierende Antisemitismus. Jüngster Gast war Dr. Gábor Lengyel, Senior-Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover und Rabbiner in der Reformsynagoge in Hamburg. Er wurde 1941 als Sohn einer jüdischen Familie in Budapest geboren. Er überlebte die Schoah im Ghetto von Budapest. Mit 15 Jahren floh er aus dem kommunistischen Ungarn nach Israel.

Bei der Ankunft am Lingener Bahnhof informierten Simon Göhler und Walter Höltermann  Gabor Lengyel über den ehemaligen Rennfahrer und SS-Offizier Bernd Rosemeyer. Lengyel zeigte sich bestürzt darüber, dass die von den Nazis zur Ehrung des Lieblings der Nazipropaganda vorgenommene Umbenennung der ehemaligen Bahnhofstraße bis heute Gültigkeit hat.- Fotos fwp

Im voll besetzten Gemeindesaal der St.-Bonifatiuskirchengemeinde berichtete Lengyel, der seine Doktorarbeit über die Rabbinerausbildung geschrieben hatte, über das liberale Judentum. Frauen sind in dieser Strömung gleichberechtigt und können Rabbinerin werden. Im Gottesdienst in USA Hälfte auf Englisch, Hälfte auf Hebräisch, in Deutschland zu 90 Prozent auf Hebräisch. Die Musik spielt auch eine große Rolle. Entstanden sei das liberale Judentum im 19. Jahrhundert aus dem Bestreben, die Religion zeitgemäß und der umgebenden Kultur angenähert zu reformieren.

Auditorium: Gebanntes Zuhören, auch von vielen jungen Menschen.

Zu den derzeitigen Kriegen gegen die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah erinnerte Lengyel an die Morde, Vergewaltigungen und Verschleppungen jüdischer Menschen durch die Hamas am 7. Oktober 2023, vor fast einem Jahr. Immer noch seien Geiseln in der Hand der Terroristen. Der Raketenterror der Hisbollah aus dem Libanon habe 60.000 Menschen im Norden Israels dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.

Der Rabbiner, der selbst in der israelischen Armee gedient hatte, kritisierte auch den Siedlungsbau in den von Israel besetzten Gebieten sowie die Politik der derzeitigen teils rechtsextremistischen Regierung. Lengyel, der auch im jüdisch-muslimischen Dialog engagiert ist, wörtlich: „Als Rabbiner, als Mensch und auch als israelischer Staatsbürger trauere ich um jeden getöteten Israeli. Ich erlaube mir aber auch, genauso so um jeden unschuldig getöteten palästinensischen Menschen zu trauern.“

Dank für einen humorvollen und mit großem Beifall bedachten Vortrag und für eine engagierte Diskussion: Simon Göhler überreicht einen jüdischen Kalender für das beginnende Jahr 5785, Angela Prenger eine Schalomstein von Josef Möddel. Die beigefügte Mediation las der Rabbiner sofort.

Der rabbiner mit Vorstandsmitgliedern – v.l. Gabor Lengyel, Angela Prenger, Simon Göhler, Claudia Meinert, Georg Wichmann, Walter Höltermann.