Dr. Lange und Manfred Rockel begrüßen die zahlreichen Zuhörer. Foto: Ursula Feldmann

Lingen. Die Kivelinge und der Nationalsozialismus. Zu diesem Thema hat Manfred Rockel seine Forschungsergebnisse jetzt in der Lingener Kunsthalle präsentiert. Wie verhielten sich Kivelinge in der NS-Zeit, wie wurden sie behandelt und wie wurde die Zeit nach 1945 thematisiert?

160 Zuhörer bekamen Antworten. Die Kivelinge sind ein mittelalterlicher Wehrverbund unverheirateter junger Männer zum Schutz der Stadt. „Was die Kivelinge heute leisten ist beeindruckend“ erklärte Manfred Rockel in seiner Einführung und erinnerte an die alle drei Jahre stattfindenden Kivelingsfeste und die kulturgeschichtlichen Geschenke an die Stadt. 

„Zudem geben die Kivelinge eine inhaltlich breit gefächerte Zeitung, eher ein Buch, heraus. Diese sind die Hauptquellen für meine Fragestellung“, erläuterte der ehemals in Lingen tätige und heute pensionierte Lehrer vor der großen Zuhörerschaft. So hatte das einladende Forum Juden Christen aufgrund des sich abzeichnenden großen Interesses die Veranstaltung auch kurzfristig von der kleinen Jüdischen Schule in die Kunsthalle verlegt.

Laut Rockel dauerte der Prozess der sogenannten „Gleichschaltung“ – der Ausrichtung aller Institutionen und Vereine auf den Nationalsozialismus – im Fall der Kivelinge rund zwei Jahre. Vorstandsmitglieder wurden nach einer Satzungsänderung bestimmt und nicht mehr gewählt, die Stellung des NS-Bürgermeisters Erich Plesse gestärkt. Dieser drängte auch den vor 1933 als Gegner des Nationalsozialismus geltenden Kivelingskommandeur Heinrich Driemann aus dem Amt und ersetze ihn durch das spätere SA-Mitglied Karl Berning.

Für den zweiten Teil seines Vortrags hatte Rockel die in der NS-Zeit erschienen Publikationen der Kivelinge untersucht. Gleich an mehreren Beispielen konnte er verdeutlichen, wie auch einige langjährige Autoren der Kivelinge das NS-System nach der Machtübernahme begrüßt und verherrlicht haben. Und nach 1945? „Für Jahrzehnte tat man einfach so, als ob gar nicht Anstößiges gewesen wäre.“

Von 1975 bis 2000 erschienen nach Aussage Rockels erstmals Artikel, die auch die menschenverachtende Ideologie des Systems aufzeigten, für die Zeit nach 1999 konstatierte er eine „weitere positive Entwicklung“. Als einen „Quantensprung“ bezeichnete er die Doktorarbeit über die Kivelinge von Sabine Diepenbrock aus dem Jahr 2005. „Wobei ich bei der Interpretation der NS-Zeit zu einem anderen Ergebnis komme.“

In der anschließenden Diskussion erläuterte der Historiker Michael Brodhaecker, dass die „Nicht-Aufarbeitung bis Mitte/Ende der 1970er-Jahre vergleichbar mit den Umgang in anderen Regionen ist. Was mich aber schon wundert ist, dass es immer noch keine grundlegende Arbeit über die Zeit des Nationalsozialismus in der Stadt gibt. Da sind andere Städte deutlich weiter.“

Lingener Tagespost 14. Februar 2020, Carsten van Bevern, mit freundlicher Genehmigung

Über die Veranstaltung wurde ein Video gedreht. Es findet sich unter: http://www.youtube.com/watch?v=OCnqb-At3FI&feature=youtu.be

s.a. den ausführlichen Bericht zu den Forschungsergebnissen Rockels in der Lingener Tagespost vom 15. Februar 2020

http://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/1997366/die-lingener-kivelinge-und-der-nationalsozialismus

Im Vorfeld des Lehrhausgespräches brachte die Lingener Tagespost am 08.02. 2020 einen ausführlichen Vorbericht:

https://www.noz.de/lokales/lingen/artikel/1987975/welche-rolle-spielten-die-kivelinge-im-nationalsozialismus